
Ein Erfahrungsbericht aus der Wirklichkeit
Anna ist 32, studierte Marketing Managerin, mit zehn Jahren Berufserfahrung in Agenturen und Konzernen. Sie sucht einen neuen Job – mit Sinn, Flexibilität und fairer Bezahlung. Seit drei Monaten ist sie auf der Suche nach der passenden Stelle.
Was sie erlebt, lässt sich so zusammenfassen: Undurchsichtige Stellenausschreibungen, endlose Bewerbungsformulare, Funkstille nach dem Vorstellungsgespräch – und am Ende: eine Absage.
Wieso? Weil „man sich doch für einen anderen Kandidaten entschieden hat“. Ohne Feedback. Ohne Erklärung.
Anna ist kein Einzelfall.
Die Ergebnisse unserer Umfrage zeigen, dass fehlende Qualifikationen nicht das Problem im Bewerbungsprozess sind. Es sind die Prozesse selbst.
Hier sind die vier größten Frustfaktoren und Tipps, wie Unternehmen in Deutschland und Bewerber es besser machen können.
1. Fehlende Gehaltsangaben – ein Dealbreaker?
Stell dir vor, du gehst in einen Supermarkt, füllst deinen Einkaufswagen mit Lebensmitteln, stehst an der Kasse – und erst dort wird dir gesagt, was es kostet.
Klingt wie ein absurdes Gedankenexperiment? Genau so laufen heute viele Bewerbungsprozesse ab.
Dass Firmen das Gehalt erst spät oder überhaupt nicht mitteilen, ist nicht nur unpraktisch oder unangenehm. Es widerspricht ökonomischem Denken.
Asymmetrische Information: Unternehmen erwarten vollständige Offenheit vom Bewerber (Lebenslauf, Motivation, Gehaltsvorstellung), halten selbst aber wichtige Informationen wie das Gehalt zurück.
Zeitfaktor: Jede Bewerbung erfordert Zeit – auf beiden Seiten. Wenn erst nach mehreren Runden klar wird, dass die Bezahlung nicht passt, ist das verlorene Lebenszeit.
Adverse Selektion: Die geeigneten Talente bewerben sich oft nicht, wenn kein Gehalt angegeben ist. Zurück bleiben unsichere oder beliebige Bewerbungen.
Tipp: Frühzeitige Transparenz spart Zeit, Geld und Nerven. Wer in Stellenanzeigen Gehaltsangaben macht, wirkt nicht nur fairer – laut Erfahrungsberichten erhalten diese Unternehmen bis zu 80 % mehr passende Bewerbungen.
Übrigens: Eine Umfrage von kununu zeigt, dass sich rund 71 % der Befragten Transparenz beim Thema Gehalt wünschen und damit ein entscheidendes Kriterium für die Bewerbung ist.
Nochmal zum Mitdenken: Wer würde im Supermarkt einkaufen, ohne die Preise zu kennen?
2. Unrealistische Anforderungen – ein Abschreckungsfaktor?
„Sie suchen eine eierlegende Wollmilchsau – und zahlen wie für ein Huhn.“
Dieser sarkastische Kommentar unter einer Stellenanzeige wurde tausendfach geteilt. Und er bringt das Problem auf den Punkt.
Viele Jobbeschreibungen sind keine realistischen Ausschreibungen – sondern Wunschlisten. Zehn Jahre Berufserfahrung, drei Fremdsprachen, Kenntnisse in fünf Tools, am besten noch Yoga-Trainerlizenz. Ernsthaft?
Doch warum passiert das?
In vielen Unternehmen schreiben nicht die Fachabteilungen die Anzeigen. Stattdessen macht das die Personalabteilung. Oft nutzen sie alte Vorlagen. Manchmal gibt es interne Abstimmungen. Dabei fügt jede Abteilung „noch schnell etwas hinzu“.
Das Resultat: Die Anzeige bildet nicht den tatsächlichen Arbeitsalltag ab, sondern ein fiktives Idealprofil.
Und: Besonders Frauen und Quereinsteiger bewerben sich oft gar nicht, wenn sie nicht jedes einzelne Kriterium erfüllen. Eine verpasste Chance – für beide Seiten.
Tipp: Trennt zwischen Must-haves und Nice-to-haves. Schaut ehrlich auf den Joballtag: Was ist wirklich essenziell – und was kann man lernen?
3. Langwierige Bewerbungsprozesse – eine Geduldsprobe?
Lisa, Data Analystin, erinnert sich:
„Ich habe mich beworben, dann sechs Wochen nichts gehört. Als ich endlich zum zweiten Gespräch eingeladen wurde, hatte ich schon woanders unterschrieben.“
In einem Arbeitsmarkt, in dem Fachkräfte entscheiden können, geht Geschwindigkeit vor Perfektion.
Und dennoch: Bewerber erleben oft ein digitales Chaos. Sie müssen PDFs hochladen, Formulare ausfüllen und Video-Interviews machen. Oft gibt es keine Rückmeldung oder persönliches Feedback.
Eine Vielzahl Bewerber brechen den Prozess ab, wenn er zu lang oder intransparent ist.
Das Problem: Unternehmen prüfen sorgfältig. Doch Bewerber wählen oft den Arbeitgeber, der schneller reagiert. Das passiert meist innerhalb von 7 bis 10 Tagen.
Tipp: Klare Timelines, kurze Entscheidungswege und einfache Bewerbungsmöglichkeiten (z. B. One-Click, LinkedIn-Import, Bewerbung per Handy) zeigen Wertschätzung. Wertschätzung beginnt beim ersten Klick.
4. Zu wenige passende Jobs – Wunsch und Realität passen nicht zusammen.
Viele Menschen wissen heute sehr genau, was sie nicht mehr wollen: 9-to-5 ohne Flexibilität. Großraumbüro ohne Homeoffice. Anweisungen ohne Mitdenken.
Aber die Realität in vielen Stellenausschreibungen sieht anders aus.
Was Bewerber wirklich suchen:
- Sinnvolle Aufgaben mit Wirkung
- Flexibilität & Work-Life-Integration
- Entwicklungsmöglichkeiten statt Stagnation
- Vertrauen & Offenheit statt Mikromanagement
Bewerber achten darauf, ob ein Unternehmen zu ihren Werten passt – ob dort Diversität gelebt wird, ob das Team eigenverantwortlich arbeiten kann, ob Führungskräfte wirklich zuhören.
Studien wie das New-Work-Barometer zeigen: Der Wunsch nach einem „sicheren Job“ hat sich weiterentwickelt – hin zur Suche nach einer beruflichen Heimat, die sich mit dem Privatleben vereinbaren lässt.
Tipp: Fragen, die wir uns an dieser Stelle stellen müssen: Sind unsere Arbeitsmodelle noch zeitgemäß? Moderne Rahmenbedingungen (Remote, Gleitzeit, Weiterbildung) sind keine herausstechenden Benefits mehr – sie sind Standard.
Unternehmen, die diese Erwartungen ernst nehmen, transparente und flexible Rahmenbedingungen schaffen und offen kommunizieren, sichern sich entscheidende Vorteile im Wettbewerb um qualifizierte Talente.
Was jetzt zählt – für Unternehmen & Bewerber
Die Jobsuche 2025 stellt Unternehmen und Bewerber gleichermaßen vor Herausforderungen. Doch viele Hürden entstehen nicht durch mangelnde Qualifikationen, sondern durch komplizierte Prozesse, unrealistische Erwartungen und veraltete Strukturen.
Unternehmen müssen faire Gehälter offen kommunizieren, realistische Anforderungen definieren, Bewerbungen effizient gestalten und moderne Arbeitsbedingungen bieten. Transparenz, Offenheit und Effizienz sind keine Extras mehr – sie sind Pflicht.
Auch Bewerber tragen Verantwortung: Sie sollten aktiv nachfragen, klar kommunizieren und ihre Erwartungen konstruktiv formulieren. Eine erfolgreiche Bewerbung erfordert sowohl Professionalität als auch gegenseitigen Respekt. Denn ein Bewerbungsgespräch ist keine einseitige Prüfung, sondern der Beginn einer möglichen Zusammenarbeit.
Die Arbeitswelt von morgen wird besser, wenn beide Seiten ihren Teil beitragen. Bewerbungsprozesse sollten transparent, fair und menschlich sein.